Leben im Sperrgebiet / Tag 23

Im Bericht über die Veränderungen in der Nachbarschaft habe ich bereits über die beruflichen Veränderungen hier bei uns geschrieben. Und ich höre es auch im persönlichen Umfeld immer häufiger: Kurzarbeit, Auftragseinbrüche, Zukunftsangst. Habt Ihr die auch? Wie sieht es bei Euch aus?

Kurzarbeit und Auftragseinbrüche

Die Auswirkungen des Coronavirus machen sich – unabhängig von den vielfach gravierenden gesundheitlichen Folgen für zahlreiche Menschen – immer mehr bemerkbar:

  • viele Firmen stellen auf Kurzarbeit um
  • niemand weiß, wann die Arbeit wieder ihren geregelten Gang nehmen kann
  • Aufträge brechen weg

Aus Unternehmersicht sind die meisten dieser Maßnahmen absolut verständlich. Es geht um das Überleben der Firmen, um den Fortbestand, die Sicherung des Familieneinkommens. Natürlich aber auch um die Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber. Aber was wiegt mehr? Wie viel kann man den Beschäftigten zumuten? Und worauf kann und will man selbst verzichten?

Vielen Unternehmern sind auch einfach die Hände gebunden. Wie sollen sie weiterplanen können, wenn sie nicht wissen, bis wann die Maßnahmen in Italien gelten? (Die wurden übrigens erst einmal bis zum 13. April 2020 einschließlich verlängert.) Wie sollen sie Mitarbeitern weiter ihr Gehalt zahlen, wenn die Aufträge ausbleiben? Können Sie überhaupt weitere Anschaffungen tätigen, obwohl sie nicht wissen, wie das Kaufverhalten und die Finanzen von Kunden nach der Corona-Krise aussehen?

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Zukunftsängste und Auftragseinbrüche

Zukunftsängste haben somit Unternehmen sowie viele Beschäftigte. Auch diejenigen, deren Verträge bald auslaufen. Werden die Verträge verlängert? Wird es nicht viel schwieriger sein, in so einer Zeit einen neuen Job zu finden? Werde ich weiterhin zu guten Bedingungen arbeiten können oder muss ich Gehaltseinbußen in Kauf nehmen?

Es gibt so viele Fragen, auf die es derzeit keine Antworten gibt. Die Monate, in denen ich sonst am besten verdient habe, waren bei mir immer der April und der Mai. Diesen April werde ich wegen des Coronavirus nicht gebraucht. Aus dem einfachen Grund, dass meinem Arbeitgeber die Hände gebunden sind. Das Institut ist geschlossen, die Kollegen sitzen im Home Office, wann wir wieder öffnen können, ist noch ungewiss – und hängt von den Entscheidungen der Regierung ab. Solange Bildungseinrichtungen geschlossen sind, werde ich nicht arbeiten können. Definitiv nicht die Schuld meines Arbeitgebers und natürlich auch das Risiko eines Freiberuflers, aber dennoch auch nicht Schuld der Regierung. Die hat ihren Grund, auf Anraten von Expertenkomitees entsprechende Regelungen zu treffen. Nicht, um uns zu strafen, sondern um unsere Gesundheit zu schützen. Es gibt staatliche Hilfen – sowohl in Italien als auch in Deutschland oder anderen Ländern. Abwarten müssen wir trotzdem. Momentan beruht viel auf Spekulationen, auf Zukunftsängsten, auf Unsicherheit. Aus meiner Sicht ist es definitiv zu früh, um die Regelungen zu lockern. Die Fallzahlen (s. weiter unten) sind weiterhin auf einem besorgniserregenden Niveau.

Tag 23 von 24: Unser Tag zu Hause

Es muss einfach auch mal sein: Wir haben heute ganz viel herumgegammelt, die Zeit mit Büchern, Tablet und einfach gemütlich verbracht, die Zahlen und das Coronavirus tagsüber so gut es geht ausgeblendet. Es holt einen immer wieder ein. Aber ich kann es nur wiederholen: Wer gesund zu Hause sitzt, hat riesengroßes Glück und sollte sich auch nicht so viel über die fehlende Bewegungsfreiheit und die Einschränkung seines Lebens beklagen.

Alle Maßnahmen wurden nur ergriffen, um uns und andere so gut es noch geht zu schützen. Haltet Euch das bitte auch immer wieder vor Augen. Durchhalten und es kommen auch wieder bessere Zeiten – ganz bestimmt!

Was wir heute abgesehen von unserer Zeit auf dem Sofa gemacht haben? Gar nicht soo viel:

  • Geschichten gelesen
  • Bananen-Nuss-Brot gebacken (okay, mein Mann, aber der kann sowas eindeutig besser als ich)
  • das Badezimmer geputzt (kleines Badezimmer, deshalb leider auch wenig Stauraum)
  • mit Freunden und Familie geschrieben und telefoniert
  • alte Filme angeguckt (ich muss die dringend mal irgendwie sichern)
  • mich viel weniger aufgeregt als gestern (manche Leute haben das einfach nicht verdient… ? – dazu aber morgen mehr)

 

https://www.facebook.com/Italienkrise/posts/103175041317757

31. März 2020: Die Zahlen des Tages

Diese Zahlen gab der Zivilschutz am heutigen Abend bekannt:

  • 727 Tote (13.155 Tote insgesamt in Italien, es sind mehr als 100 Tote weniger als gestern).
  • 4782 neue Coronafälle (mehr als 700 Fälle mehr als gestern, jetzt insgesamt 110.574 Infektionen)
  • 16.847 Personen gelten als geheilt (das sind über 1000 Personen mehr als gestern)
  • 80.572 Personen sind aktuell erkrankt (es sind also noch einmal ca. 3000 Patienten dazu gekommen / 4035 Personen befinden sich in einem kritischem Zustand)

Situation bei uns in den Marken

In den vergangenen 24 Stunden sind in den Marken 137 weitere Personen positiv getestet worden. Ähnlich viel wie gestern, allerdings wurden auch nur 572 statt der gestrigen 745 Abstriche ausgewertet.

Bislang wurden 3962 Personen in den Marken positiv getestet (davon sind 477 Personen im Alter zwischen 27 und 97 Jahren verstorben, 29 Personen gelten in den Marken als genesen. Übrigens wurde die erste Person in den Marken am 25. Februar 2020 positiv getestet. Das zeigt auch ganz gut, wie sehr sich die Realität hier im Zeitraum nur eines Monates verändert hat.

Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl in den Marken von 1.525.271 Personen beträgt das Ansteckungsrisiko derzeit 1: 384. Da in Italien davon ausgegangen wird, dass die Dunkelziffer der positiven Personen in etwa zehnmal so hoch ist, ist auch das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches höher als hier angegeben.

Aktuell sind 1152 Personen in den Marken wegen des Coronavirus in den Krankenhäusern untergebracht. 168 liegen auf den Intensivstationen, 296 weitere auf der Intensivzwischenpflege.

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Was bisher geschah:

Leben im Sperrgebiet / Tag 1 von 24 (Italien ist jetzt Sperrgebiet)
Leben im Sperrgebiet: Tag 2 von 24 (Und wenn es Euer Opa wäre?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 3 von 24 (Große Ansteckungsgefahr oder nicht?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 4 von 24 (drohende Versorgungsengpässe, Sonderfall “medizinisches Personal”)
Leben im Sperrgebiet / Tag 5 von 24 (Was man aus der Corona-Geschichte Italiens lernen kann…)
Leben im Sperrgebiet / Tag 6 von 24 (Abläufe und Sicherheit im Supermarkt)
Leben im Sperrgebiet / Tag 7 von 24 (Quarantäne, Betroffene in den Marken, Selbstschutz)
Leben im Sperrgebiet / Tag 8 von 24 (Existenzängste und Einbruch des Tourismus)
Leben im Sperrgebiet / Tag 9 von 24 (Wie funktioniert das jetzt eigentlich mit der Post?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 10 von 24 (Todesursachen und Symptome)
Leben im Sperrgebiet / Tag 11 von 24 (Ansteckungsrisiko und Dunkelziffer)
Leben im Sperrgebiet / Tag 12 von 24 (Zahlen des Zivilschutzes: Warum ist die genaue Benennung der Todeszahlen so wichtig?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 13 von 24 (Welche Firmen müssen schließen?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 14 von 24 (Hilfe aus aller Welt)
Leben im Sperrgebiet / Tag 15 von 24 (Situation in Krankenhäusern / Patienten in kritischem Zustand)
Leben im Sperrgebiet / Tag 16 von 24 (Droht bei Lebensmitteln ein Versorgungsengpass?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 17 von 24 (Leben im Wandel / Situation in Ancona)
Leben im Sperrgebiet / Tag 18 von 24 (Coronavirus als Ursache von Fremdenhass?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 19 von 24 (Was ändert sich für Schulen und Kindergärten?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 20 von 24 (Heute und vor einem Monat…)
Leben im Sperrgebiet / Tag 21 von 24 (Veränderungen in der Nachbarschaft)
Leben im Sperrgebiet / Tag 22 von 24 (Keine Panikmache durch nüchterne Zahlen?)
Vorsichtsmaßnahmen im Supermarkt

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