Tag 1/2: Fähre in Italien verpasst… – und nun?

In meinem Leben habe ich dreimal nicht in dem Verkehrsmittel gesessen, das eigentlich vorgesehen war. Jetzt ist ein viertes Mal hinzugekommen – und das, obwohl zeitlich wirklich alles gepasst hat. Aber von vorne…

Verkehrsmittel verpasst? Wie kann das eigentlich passieren?

Einmal habe ich wegen eines verspäteten Fluges ab Bergamo den Anschlussflug ab München nach Münster verpasst. Trotz enormen sportlichen Einsatzes in München war einfach nichts zu machen. Immerhin gab es aber am gleichen Tag einen weiteren Anschlussflug – auch wenn ich auf den einige Stunden warten musste.

Die Lösung: Es gab einen großzügigen Verzehrgutschein von der Lufthansa. Und als ich schließlich in der Nacht in Münster angekommen bin, hatte ich leckeren bayerischen Leberkäse im Magen und zwei Glückskäfer-Tassen mehr im Gepäck. Die hatte mir der freundliche Kellner nämlich gleich mitgegeben. Auch die seien über den Verzehrgutschein (den ich nicht vollständig genutzt hatte) mit abgedeckt.

Ein weiteres Mal habe ich aus reiner Schusseligkeit in Assisi den Zug verpasst. Rechtzeitig am Bahnhof gewesen, aber zusammen mit meiner brasilianischen Freundin (die ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte) Fotos auf dem Handy angeguckt. Wir waren so darin vertieft, dass wir den einfahrenden Zug erst wahrgenommen haben, als sich die Türen bereits wieder geschlossen hatten.

Die Lösung: Warten! Und seitdem jedes Mal, wenn ich in Assisi vorbeifahre, ein Foto machen und sie meiner Freundin schicken.

Zug in Rom verpasst – Trenitalia hat geholfen…

Und dann war da noch dieses eine Mal am Termini in Rom. Richtiges Gleis aufgesucht, dann noch kurz am Automaten gewesen und auf dem Rückweg irgendwie am falschen Gleis in den falschen Zug gestiegen. Der fuhr nahezu Nonstop nach Venedig (und ich musste unbedingt und schnell nach Ancona, weil am frühen Morgen der Flieger zur Hochzeit einer Freundin ging.

Die Lösung: Wahnsinnig freundliche Mitarbeiter von Trenitalia, die mich getröstet haben und mit mir nach Lösungen gesucht haben. Das eigentlich fällige Ticket nach Venedig sowie eine Strafgebühr fürs “Schwarzfahren” musste ich nicht bezahlen. Stattdessen haben sie mich in die 1. Klasse gesetzt, mich über Alternativen informiert und meine Tränen getrocknet…

Danach ging jahrelang alles gut – bis jetzt…

Ich bin beim Packen und Vorbereiten von Reisen eigentlich sehr gewissenhaft. Ersatzkleidung habe ich immer ausreichend und zu viel dabei, die Krankenkassen-Karten, die Ausweise, die Impfpässe sind eingesteckt. Bis vor einigen Wochen kamen dann auch noch der Green Pass und die digitale Einreiseerklärung dazu. Was ich jedes zweite oder dritte Mal vergesse, ist die Haarbürste. Aber nun ja. Davon habe ich jetzt halt eine ganze Menge… 🙃

Rechtzeitig an der Fähre und dann abgewiesen…

Und dann kommt der Tag, an dem wir nach Livorno fahren. Endlich nach Sardinien, endlich die (Groß-)Eltern bzw. Schwiegereltern wiedersehen. Treffen sind während Corona ja fast flachgefallen, aber das wisst Ihr ja selbst. Auch jetzt ist wieder ein ganzes Jahr vergangen. Die Reise war nicht günstig. Frühzeitig gebucht, Tagesüberfahrt gewählt (ist etwas günstiger) und trotzdem mit Kabine knapp 400 Euro bezahlt.

Teures Ticket an der Fähre vorgezeigt und dann das: “Die Kinderreisepässe sind abgelaufen, so können Sie nicht mit.” Dazu muss man sagen, dass es ein Reiseabkommen einiger EU-Staaten gibt (zu denen auch Deutschland und Italien gehören). Nachzulesen ist das auch auf den Seiten des Auswärtigen Amtes:

Reisepässe, Kinderreisepässe, Kinderausweise und Personalausweise (nicht vorläufige Personalausweise), die seit höchstens einem Jahr abgelaufen sind, berechtigen noch zur Einreise in das Hoheitsgebiet folgender Staaten: Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweiz, Slowenien, Spanien und Türkei.

Quelle: Auswärtiges Amt

Ja, Beförderer können eigene (strengere) Regeln haben, allerdings sind auch sie europäischen Vereinbarungen unterworfen UND haben immer auch eigenen Ermessenspielraum. Blöd nur, wenn ein Wachposten sich anmaßt, Entscheidungen ohne den Beförderer zu treffen. In dem Fall: Einschiffen verweigert. Trotz wirklich minimal abgelaufener Kinderreisepässe (wir sprechen da über Wochen und nicht über Jahre), trotz zusätzlich vorhandener Geburtsurkunden, einer polizeilichen Bestätigung, dass die Kinder wirklich zu uns gehören – und (das ist jetzt die menschliche und natürlich nur empathisch relevante Komponente) eine Sechsjährige Rotz und Wasser heult, weil sie Angst hat, Nonno und Nonna nicht zu sehen und die Abfahrt des Schiffes immer näher rückt.

Auch sie sieht Unmengen an Autos die Anrollen. Vorzeigen müssen die Fahrer dieser Autos nur die Tickets. Keiner von ihnen wird um Ausweise gebeten. KEINER! Auch nicht die Fahrzeuge, in denen sich Kinder aufhalten…

Fähre verpasst: Das Problem der Stichprobe?

Während mein Mann also mit dem Ticketcenter spricht (die dürfen laut Angaben des Wachpostens Passierscheine ausstellen), bekommt er mit, wie der gleiche Wachposten im Ticketcenter anruft. Die klare Ansage: “Die Familie nehmen wir definitiv nicht mit.” Keine Chance, Überzeugungsarbeit zu leisten.

Ich währenddessen vor den Toren des Hafens im Auto. Damit beschäftigt, zwei Kinder zu beruhigen. Eins davon nehme ich auf den Arm, stehe lange neben dem Auto. Mein Mann schreibt auf meine Nachrichten hin nicht zurück. Uff! In dieser Zeit sehe ich die Autokolonnen – das Durchwinken der Fahrzeuge – ohne auch nur ansatzweise zu überprüfen, wer da überhaupt im Auto sitzt.

Also gehe ich mit Kind im Arm auf die Wachposten zu und frage, warum denn nur wir kontrolliert werden. Schon hier ist die Reaktion ein wenig merkwürdig. Die angesprochene Frau ruft nämlich direkt ihre Kollegin dazu, “damit ich Zeugen für meine Antwort habe.” Häh? Die Antwort: ALLE Pässe würden auch noch einmal direkt an der Fähre überprüft – Personen mit abgelaufenen Ausweisen dann allesamt zurückgeschickt. Dass das nicht stimmt, wissen wir glaube ich alle. An der Rampe stehen Parkeinweiser, keine Kontrolleure. Und Autos und Personen, die sich bereits auf dem Hafengelände befinden, zurückzuschicken, ist auch logistisch nicht möglich (von Fußgängern vielleicht einmal abgesehen). Es stehen also Tausende Personen auf dem Hafengelände und NIEMAND davon kommt zurück.

Wer aber zurückkommt ist mein Mann. Niedergeschlagen. “Ich glaube das einfach nicht. Ernsthaft? Wegen zweier abgelaufener Kinderreisepässe innerhalb Italiens?”. Schulterzucken der drei weiblichen Wachposten. Die verzweifelte Tochter an der Hand. Sehen die nicht, was mit diesem Kind passiert? Klar, die Schuld ist irgendwie unsere, aber es gibt ihn doch, diesen Ermessensspielraum und eben auch das europäische Abkommen. Ich habe zu diesem Zeitpunkt eingesehen, dass das mit dem Schiff wohl nichts wird. Es fehlt keine halbe Stunde mehr bis zur Abfahrt. Weiterhin mit Kind auf dem Arm mache ich ein weitwinkeliges Foto vom Hafenbereich. Bedeutet: Links ist in weiter Ferne das Schiff zu sehen, rechts das Ziel: Olbia. Und irgendwo in der Mitte, weit unter der Brücke, mein Mann und zwei der Wachposten. Einer davon ist komplett von hinten zu sehen. Nicht ein Stück eines Profils ist zu erkennen – kein Ohrläppchen nichts.

Aber genau das Foto wird dann zum weiteren Problem.

Fotos von hinten als Verletzung der Privatssphäre?

Der zweite Wachposten brüllt nämlich plötzlich los, dass es reiche, ich ohne Einverständnis keine Fotos machen dürfe und es löschen müsse. Die andere Mitarbeiterin dreht sich um, brüllt mich an, dass ihre Privatsphäre verletzt sei und sie mich anzeigen würde. Also drehe ich mein Handy um, zeige, was ich fotografiert habe und betone, dass ich zu keiner Zeit die Privatsphäre verletzt habe (ich stehe zudem auch einige Meter vom Hafengelände entfernt) und genau wisse, wie und was ich fotografieren dürfe, da ich Journalistin sei. Keine Chance auf Diskussion. Die Frau, die nichts gesehen hat, greift zum Telefon und betätigt den polizeilichen Notruf (!). Gefahr in Verzug? Polizei erforderlich? Sie brüllt ins Telefon. “Sie sei fotografiert worden, ihre Privatsphäre sei verletzt und auch wenn sie nur seitlich oder von hinten zu sehen sei, sie trage “Uniform” und sie wolle Anzeige erstatten.

Das Telefonat endet, die Tore werden geschlossen, die Wachposten verschwinden. Noch ist das Schiff da. Mein Mann ist am Telefon, versucht Entscheidungsbefugte am Hafen zu erreichen. Ich nähere mich dem Auto und werde angebrüllt. Ich müsse stehenbleiben, dürfe nicht verschwinden, ich MÜSSE auf die Polizei warten und überhaupt: “Ich zeige sie sowieso an. Und ich kenne Ihr Kennzeichen.” Puh. Ernsthaft? Was passiert da bitte gerade.

Und warum steht auf der anderen Seite dieser Mann mit Schlapphut und filmt in Seelenruhe minutenlang den Hafen und vor allem den Eingang. Ein paar Meter hinter mir, gut sichtbar. In Seelenruhe auch deshalb, weil das gar kein Problem ist. Urlaubserinnerungen? Warum auch nicht?

Dann geht die Schranke doch hoch…

Plötzlich geht das Tor wieder auf. Wir könnten auf Schiff. Irgendwas hat der Hafenkommandant also bewirkt. Für den Beförderer (Grimaldi) besteht das Problem nämlich nicht. Zumindest nicht in der Art. Als wir am Wachposten vorbeifahren, brüllt die Frau mit dem dick aufgetragenen Lippenstift uns nach: “Und die Anzeige gibt es trotzdem.” Dass der Mann weiter filmt, interessiert sie nach wie vor nicht.

Wir stehen also mit dem Auto an der Rampe – und werden aufgehalten. Dort geht nämlich gerade ein Anruf ein – vom Wachposten. Der setzt sich über die Entscheidung des Hafenkommandanten hinweg und teilt den Mitarbeitern am Ticketcenter mit, dass wir umdrehen müssten. Die Polizei verlange dies und warte am Ausgang auf uns. Angeblich hätten wir uns gewaltsam Zugang zum Hafen verschafft. Bitte was?

Also zurück zur Einfahrt. Wer übrigens nicht da ist, ist die Polizei, aber nach wie vor der Wachposten, der uns eben noch hinterhergerufen hat, uns so oder so anzuzeigen. Ein nettes Spiel also, um uns wieder von der Rampe wegzubekommen. Wir fahren raus. Warten. Angeblich ist die Polizei fast da – und dann kommt sie tatsächlich.

Polizeieinsatz an der Fähre

Die Frau redet auf die Polizisten ein. Auch, wenn sie nur seitlich zu sehen sei, wolle sie zunächst gefragt werden, müsse ihr Einverständnis geben. Ich zeige das – nicht gelöschte Foto – den Polizisten. Löschen muss ich es auch dann nicht. Ich habe gegen keinerlei Recht verstoßen. Trotzdem will sie Anzeige erstatten – so dass die Polizei meinen Personalausweis und den meines Mannes haben will. Sie äußern sich kaum zur Sache. Nur ein “da wird aber etwas ganz groß gemacht” höre ich.

Sie würde es sich nicht bieten lassen, beleidigt zu werden.

Ich: “Wir haben Sie zu keiner Zeit beleidigt.”

Sie zu den Polizisten: “DAS meinte ich jetzt auch eher generell.”

Es fällt noch eine ähnliche Bemerkung. Als ich auch da widerspreche fragt sie – zu ihrer Kollegin gewandt – ob Sie eigentlich kein gutes Italienisch spreche. Schön gesagt natürlich von einer italienischen Muttersprachlerin gegenüber einer Ausländerin wie mir.

Für die Polizei ist die Sache hier erledigt. Es gab auch nichts zu tun. Über die Kinderreisepässe wird gar nicht gesprochen, hier geht es nur um das Foto. Die Polizei gibt uns die Ausweise zurück, die Daten der anderen beiden nehmen sie erst auf, als ich ebenfalls das Wort Anzeige erwähne. Geschadet worden ist nämlich uns.

Um was für ein Bild geht es eigentlich?

Auch das hier sei noch gesagt: Das Bild ist dieses hier. Die Frau, die Anzeige wegen Verletzung ihrer Privatsphäre erstatten wollte, ist diejenige, bei der nur der Rücken zu sehen ist.

Und dabei sollte das Bild eigentlich nur bei einer Freundin landen. Mit “Immerhin von weitem haben wir das Schiff gesehen.” Denn auch schon vor der Fotosache wurde uns die Mitnahme verweigert… übrigens allen. Auch denen, die einen gültigen Reisepass und Personalausweis hatten. Rein theoretisch hätten wir uns ja als Familie aufteilen können…

Und dann legt das Schiff schließlich ab…

In dem Moment legt das Schiff ab. Unsere Widersacherin wirkt plötzlich sehr entspannt. Sie sehe nun doch von einer Anzeige ab, sie habe gar kein Geld, die Sache voranzutreiben.

Ihr Ziel hat sie hier jedoch erreicht: Diese eine Familie (wir) steht am Hafen, mit teuren Tickets und laut EU-Abkommen weiterhin gültigen Kinderreisepässen in der Hand, aber ohne die Möglichkeit, nun irgendwie nach Sardinien zu den Großeltern zu kommen.

Was danach passierte…

Erst danach erfahren wir auch, dass solche Entscheidungen vom Kapitän eines Schiffes getroffen werden. Der würde niemals eine Familie zurücklassen. Die Fährlinie springt ein, macht es irgendwie trotz eines ausgebuchten Schiffes möglich, dass noch ein Auto mehr mit an Bord kann. Kabinen gibt es für die Nacht leider keine mehr. Um Probleme mit den Wachposten zu vermeiden, werden wir am Abend direkt am Hafeneingang von einem Mitarbeiter der Fährlinie abgeholt. Wir bekommen neue Tickets für die Überfahrt und plötzlich gibt es dann doch noch eine Kabine – eine kleine Innenkabine zwar und nicht die gebuchte Kategorie, aber immerhin haben wir nach etlichen Stunden Schlafplätze. Bezahlen müssen wir für die Überfahrt nichts und sind dann einen Tag später als geplant nach zehnstündiger Überfahrt doch noch auf Sardinien. Müde, verschwitzt, dankbar, aber auch verärgert. Denn ganz so schlimm war der Lockdown dann doch nicht – immerhin hat er vielen Begegnungen mit Personen wie diesen erspart…

1 Million Schritte durch Italien: Tag 2 ist geprägt von Müdigkeit

Tag 2 des Projektes “1 Million Schritte durch Italien” ist dadurch stark geprägt von ausufernder Müdigkeit. Eine Dusche, was essen, ausruhen, dann noch dem Schwiegervater kurz in der Campagna helfen. Am späten Nachmittag kommt dann noch der Rest der Familie vorbei und bleibt bis kurz vor Mitternacht.

Zum Laufen bleibt somit wirklich kaum Zeit.

Schritte an Tag 2: 5128 Schritte – da fehlt noch ordentlich was…

Damit fehlen jetzt noch: 984.822 Schritte in den kommenden 98 Tagen. Ich muss also etwas aufholen… 😨

Was ist das eigentlich für ein Projekt: 1 Million Schritte?

Mehr zu meinem Sommer-Projekt 2022 könnt Ihr übrigens hier nachlesen: 1 Million Schritte durch Italien: Sommer-Projekt 2022



Die Seite “www.ciao-aus-italien.de” ist eine privat betriebene Seite. Ich selbst bin ausgebildete Tageszeitungsredakteurin und Geprüfte Übersetzerin für Italienisch. Mehr zu mir könnt Ihr hier nachlesen: “Ciao aus Italien”: Wer betreibt eigentlich die Seite? Die Arbeit an dieser Seite erfolgt unentgeltlich in meiner Freizeit. Du möchtest die Arbeit an der Seite unterstützen? Das kannst Du über einen guten Umgangston auf der Facebookseite “Ciao aus Italien | Facebook”, das Teilen von Artikeln sowie über virtuelle Nervennahrung in Form von Schokolade, die Ihr mir mit wenigen Klicks schicken könnt! Einen ganz herzlichen Dank an alle bisherigen Unterstützer!

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